Nutzerplanung in Planungs- und Bauprozess
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Nutzerplanung / Bedarfsplanung
Nach deutschem Planungs- und Vergaberecht (HOAI und VOB) wird bei komplexen Bauvorhaben – insbesondere Spezialimmobilien mit hohen Anforderungen an Funktionalität, Technik und Nutzerabläufe – die sogenannte „Nutzerplanung“ bzw. „funktionale Bedarfsplanung“ idealerweise sehr früh im Projektprozess durchgeführt. Gerade bei großen und hochspezialisierten Projekten ist eine fundierte Bedarfsplanung mit den späteren Nutzern essentiell, um Fehlplanungen, kostspielige Nachträge und Terminverzögerungen zu vermeiden.
Die funktionale Bedarfsplanung beschreibt, welche Anforderungen ein Bauwerk erfüllen muss, aus Sicht der späteren Nutzer. Es geht um Raum- und Funktionsprogramme, Ablauf- und Prozessanforderungen, technische Parameter (z. B. klimatische Bedingungen in Laboren), Sicherheitsvorgaben, Möblierung und Ausstattung, IT-Infrastruktur, Lager- und Verkehrswege usw. Bei einem hochkomplexen Spezialbau kann dies erhebliche Auswirkungen haben: Beispielsweise sind Labore mit bestimmten Sicherheitsstufen, Reinraumklassen oder Abwärme- und Klimakonzepten zu planen. Je früher die eigentlichen Nutzer bzw. ihre Vertreter eingebunden werden, desto genauer kann das Planungsteam auf die spezifischen Bedürfnisse eingehen. Änderungen in späten Planungsphasen sind in der Regel deutlich teurer und zeitintensiver und führen oft zu Nachträgen (gemäß VOB/B oder vergleichbarer Vertragswerke).
- Grundlagenermittlung
- Vorplanung
- Entwurfsplanung
- Genehmigungsplanung
- Ausführungsplanung
- Mitwirkung
- Objektüberwachung
- Objektbetreuung
- Handlungsempfehlung
Wesentlicher Inhalt
Sammeln aller Informationen, die für das Projekt relevant sind: Ziele, Rahmenbedingungen, Standortfaktoren, erste Gespräche mit dem Bauherrn, Kostenrahmen und Terminvorstellungen.
Klärung der Aufgabenstellung: Wofür wird das Gebäude benötigt? Welche rechtlichen Rahmenbedingungen (z. B. Bauordnungsrecht) gibt es?
Vorteile einer Nutzerplanung in LPH 1
Maximale Flexibilität: Kaum Vorfestlegungen, daher können Grundsatzentscheidungen noch ohne große Kostenfolgen getroffen werden.
Frühe Weichenstellung: Die Anforderungen der Nutzer – insbesondere bei hochspezialisierten Gebäuden – fließen von Beginn an ein. Das mindert das Risiko von Fehlplanungen.
Klares Zielbild: Eine präzise Definition des Bedarfs (etwa bezüglich Raumnutzung, technologischer Ausstattung, Betriebsabläufen) legt die Grundlage für die weitere Planung.
Nachteile einer Nutzerplanung in LPH 1
Höherer Kommunikations- und Abstimmungsaufwand: Nicht alle Nutzer wissen zu Projektbeginn bereits genau, welche Anforderungen sie haben werden, gerade wenn sich z. B. technische Innovationen noch entwickeln oder Prozesse erst definiert werden müssen.
Mögliche Unklarheiten: Die Planung kann sich überschneiden mit organisatorischen Veränderungen in der Nutzereinrichtung (z. B. Umstrukturierungen in Forschungsabteilungen oder bei Klinik-Betreibergesellschaften). Die Anforderungen müssen laufend aktualisiert werden.
Wesentlicher Inhalt
Erarbeiten eines Planungskonzepts (Vorentwurf), Gegenüberstellung unterschiedlicher Varianten, erste Kostenschätzungen, grobe Terminplanungen.
Abstimmungen mit Behörden, ggf. Abstimmung grundlegender technischer Systeme.
Vorteile einer Nutzerplanung in LPH 2
Konkretisierung der Ideen: Es existiert bereits ein grobes Konzept, das die Nutzer „sehen“ und bewerten können (z. B. Raumzuschnitte, Funktionsbereiche).
Planungssicherheit: Erste Kostenschätzungen ermöglichen es, sehr früh zu prüfen, ob die Nutzerwünsche finanziell realisierbar sind oder Anpassungen nötig sind.
Zeitlich immer noch günstig: Große Änderungen sind zu diesem Zeitpunkt relativ einfach einzuarbeiten, weil noch kein finaler Entwurf steht.
Nachteile einer Nutzerplanung in LPH 2
Zeitverlust, wenn LPH 1 ohne Nutzerplanung erfolgte: Eventuell muss man frühere Projektschritte korrigieren oder erweitern, falls wichtige Nutzeranforderungen bisher fehlten.
Abstimmungsbedarf steigt: Neben dem Planerteam und dem Bauherrn werden bei komplexen Bauten in LPH 2 meist mehrere Fachplaner (z. B. für Labortechnik, TGA, Reinraumtechnik) eingebunden. Je mehr Beteiligte, desto höher der Abstimmungsaufwand.
Wesentlicher Inhalt
Durcharbeitung des Vorentwurfs zur Entwurfsplanung: Grundrisse, Schnitte, Ansichten in einem durchgängigen System. Integration der Fachplanungen (Tragwerksplanung, TGA, Sonderfachplaner etc.).
Kostenberechnung auf Basis der Entwurfsplanung, konkretisierte Terminplanung.
Vorteile einer Nutzerplanung in LPH 3
Greifbares Design: Der Nutzer sieht bereits ein relativ konkretes Konzept. 3D-Modelle, Visualisierungen oder BIM-Daten helfen, Funktionsabläufe und Raumbeziehungen zu verstehen.
Fachliche Feinabstimmung: Detailanforderungen (z. B. zu speziellen Laborgeräten oder medizintechnischen Einbauten) können nun passgenau eingebunden werden.
Nachteile einer Nutzerplanung in LPH 3
Kosten- und Terminrisiko bei größeren Änderungen: Der Entwurf ist bereits in einem fortgeschrittenen Stadium. Spät erkannte Nutzerwünsche können Umplanungen erfordern, was teurer wird.
Verfestigte Planung: Zahlreiche Entscheidungen zu Konstruktion, Statik, Erschließung, Haustechnik sind schon getroffen; das Änderungsmanagement wird komplex.
Wesentlicher Inhalt
Erstellen der Bauantragsunterlagen bzw. Genehmigungsunterlagen (je nach Bundesland und Projekt ggf. Bauantrag, Baugenehmigung, weitere behördliche Zulassungen).
Einreichung bei den Genehmigungsbehörden.
Vorteile einer Nutzerplanung in LPH 4
Eigentlich kaum Vorteile, da dies sehr spät im Prozess liegt. Höchstens bekommen die Nutzer hier erstmalig die sehr konkreten Unterlagen zu sehen, was für die interne Kommunikation hilfreich sein kann.
Nachteile einer Nutzerplanung in LPH 4
Behördliche Verzögerungen: Änderungen, die jetzt noch einfließen sollen, können eine erneute oder geänderte Baugenehmigung erfordern.
Zeit- und Kostenrisiko: Je nach Art der Änderungen kann es zu massivem Mehraufwand kommen.
Gefahr von Nachträgen: Wenn die Planung bereits in einer Ausschreibung mündet, führen späte Änderungen zu Nachträgen nach VOB/B.
Wesentlicher Inhalt
Feinplanung aller Details, Erstellung von Detail- und Ausführungsplänen, Koordination sämtlicher Fachplanungen, Festlegung von Materialien, Baustoffen, Konstruktionen bis ins Detail.
Grundlage für Ausschreibungen und spätere Bauausführung.
Vorteile einer Nutzerplanung in LPH 5
Im Wesentlichen keine, außer dass ganz spezifische Details (z. B. Möblierung, Einbauten) noch zusammen mit dem Nutzer festgelegt werden können, sofern dies nicht bereits in LPH 3/4 geschehen ist.
Nachteile einer Nutzerplanung in LPH 5
Extrem hoher Aufwand für größere Änderungen: Die Planung ist nahezu abgeschlossen. Änderungen erfordern umfangreiche Korrekturen der Detailpläne.
Kettenreaktionen: Jede Änderung hat Auswirkungen auf Ausschreibungen, Terminpläne und Kosten.
Nachtragsanfälligkeit: Sollten die Nutzungsanforderungen sich hier noch deutlich ändern, werden entsprechende Nachträge (VOB/B) unvermeidlich.
Wesentlicher Inhalt
LPH 6: Erstellung von Leistungsbeschreibungen (Leistungsverzeichnisse, Leistungsprogramm), Ermittlung von Massen und Mengengerüsten.
LPH 7: Einholung und Prüfung von Angeboten, Vergabeverhandlungen, Vergabeempfehlung.
Vorteile einer Nutzerplanung in LPH 6/7
Allenfalls können in letzter Minute einige produkt- oder ausstattungsbezogene Wünsche berücksichtigt werden, solange noch keine Verträge geschlossen sind. Beispielsweise lassen sich eventuell Details in den Leistungsverzeichnissen anpassen (z. B. bestimmte Türsysteme, Materialien o. Ä.).
Nachteile einer Nutzerplanung in LPH 6/7
Hohe Nachtragswahrscheinlichkeit: Sobald die Ausschreibungsvorgaben fixiert sind und während der Angebotsphase neue Nutzerwünsche auftauchen, müssen Ausschreibung und Angebote ggf. angepasst oder neu verhandelt werden.
Signifikante Zeitverluste: Jede Neu-Ausschreibung oder Korrektur der LV führt zu Verzögerungen.
Kostensteigerungen: Späte Änderungen werden in der Regel mit Aufpreisen oder ungünstigen Einheits- und Pauschalpreisen kalkuliert.
Wesentlicher Inhalt
Kontrolle und Überwachung der Bauausführung hinsichtlich Qualität, Terminen und Kosten.
Koordination der am Bau beteiligten Unternehmen, Bauabnahmen, Dokumentation von Mängeln, Rechnungsprüfung.
Vorteile einer Nutzerplanung in LPH 8
Praktisch keine, außer dass im laufenden Bau kleinere Detailfragen (z. B. Farbauswahl, Anordnung von Steckdosen) noch gemeinsam mit den Nutzern geklärt werden können, sofern es keine gravierenden Änderungen erfordert.
Nachteile einer Nutzerplanung in LPH 8
Sehr teuer: Bauliche oder planerische Änderungen während des laufenden Baus bedeuten zumeist Nachträge mit hohem Kosten- und Terminaufwand.
Kollisionsgefahr: Änderungen müssen in teils fertige Bauabschnitte integriert werden, was zu Störungen im Bauablauf führt.
Wesentlicher Inhalt
Nach Abschluss der Bauarbeiten: Dokumentation des Projekts, Überwachung von Gewährleistungsansprüchen, Beseitigung von Mängeln, ggf. kleinere Anpassungen.
Begleitung des Bauherrn/Nutzers in der Anfangszeit des Gebäudebetriebs.
Vorteile einer Nutzerplanung in LPH 9
In Bezug auf den eigentlichen Bau kaum. Eventuell können Erkenntnisse aus dem Betrieb gesammelt werden, um sie für eventuelle Umbauten oder Folgeprojekte zu nutzen.
Handlungsempfehlung
Idealer Zeitpunkt: Eine (weitestgehend) abgeschlossene Nutzerplanung sollte spätestens mit Ende der Vorplanung (LPH 2) oder allerspätestens zu Beginn der Entwurfsplanung (LPH 3) vorliegen.
Konsequenzen bei später Einbindung: Je weiter der Planungsfortschritt, desto teurer und langwieriger werden Anpassungen. Im Extremfall drohen erhebliche Mehrkosten (Nachträge), Terminüberschreitungen, Konflikte mit Behörden oder sogar Qualitätsminderungen durch Ad-hoc-Lösungen.
Besonderheit großer und komplexer Spezialimmobilien: Hier ist die Nutzerplanung noch wichtiger, da die Gebäude stark von technischen, organisatorischen und sicherheitsrelevanten Anforderungen geprägt sind. Beispielsweise sind für ein Forschungslabor die exakten Raumluftkonditionen, Reinraumklassen, Sicherheitsstufen, Wegeführungen (z. B. Material- und Personenschleusen) und Schnittstellen zu TGA-Systemen zentral.
Verzahnung mit der VOB: Sobald Ausschreibungen laufen (LPH 6/7) oder Bauverträge geschlossen sind (z. B. in LPH 8), lösen nachträgliche Änderungen in der Regel Nachträge (VOB/B) aus, was zu Kosten- und Terminrisiken führt.
Klare Empfehlung
Start der Nutzerplanung: möglichst vor oder spätestens in LPH 1.
Intensivierung und Abschluss: während LPH 2, sodass zur Entwurfsplanung (LPH 3) kein großer Klärungsbedarf mehr besteht.
Vermeidung: späte Änderungen ab LPH 3 (insbesondere nach LPH 4) sollten nur noch Detailanpassungen sein, um das Nachtrags- und Konfliktpotenzial zu minimieren.