In Deutschland obliegt dem Betreiber eines Gebäudes die Verkehrssicherheit der baulichen Anlagen. Dies umfasst auch die Außenwandbekleidungen, die an Industrie- und Gewerbegebäuden als hinterlüftete Vorhangfassaden, Pfosten-Riegel-Fassaden, Natursteinfassaden, Metall- oder Verbundfassaden sowie als WDVS (Wärmedämm-Verbundsysteme) ausgeführt sein können. Ziel dieser Dokumentation ist es, die Betreiberpflichten für die Wartung und Instandhaltung dieser Außenwandbekleidungen gemäß der Hamburgischen Bauordnung (HBauO) klarzustellen.
Der Geltungsbereich dieses Dokuments erstreckt sich auf alle genannten Fassadenarten. Maßgeblich sind die Vorgaben des § 3 Satz 1 i.V.m. § 19 Absatz 1 HBauO, wonach der Betreiber die Verkehrssicherheit der Baukonstruktion zu gewährleisten hat. Hinzu kommen allgemeine zivilrechtliche Haftungsvorschriften (§ 823 BGB) sowie relevante technische Normen (etwa DIN 18516 für Fassadensysteme, DIN EN 1991 für Lastannahmen). Diese Vorschriften fordern, dass von der Außenwandbekleidung keine Gefahren durch herabfallende Teile, lose Befestigungselemente, Korrosion oder andere Mängel ausgehen dürfen.
Das Ziel der Betreiberpflichten ist es, Gefährdungen für Personen und Sachwerte durch fehlerhafte oder beschädigte Fassadenelemente konsequent zu vermeiden. Mängel wie Risse, Ablösungen oder Korrosionsschäden sollen frühzeitig erkannt und unverzüglich behoben werden. Die folgenden Abschnitte erläutern detailliert die Anforderungen an Inspektion, Wartung, Dokumentation und Verantwortlichkeiten, um die ständige Sicherheit der Außenwandbekleidung sicherzustellen.
Verkehrssicherheit der Baukonstruktion einschließlich der Außenwandbekleidungen sicherstellen
335 Außenwandbekleidungen
Definition
Verkehrssicherheit bedeutet, dass von der Außenwandbekleidung bei bestimmungsgemäßem Gebrauch keine Gefährdung für Personen oder Sachwerte ausgehen darf. Herabfallende Teile, lose Befestigungsmittel oder Materialschäden durch Korrosion, Alterung oder Witterungseinflüsse müssen ausgeschlossen sein. Damit trägt der Betreiber dafür Sorge, dass die Fassade dauerhaft standsicher ist und sich keine losen Elemente lösen können.
Kernaufgaben
Kontinuierliche Zustandsüberwachung: Regelmäßige Inspektion der Fassade (Platten, Verankerungen, Dichtungen) auf Risse, Korrosionsanzeichen, Lockerungen oder andere Mängel.
Unverzügliche Gefahrenabwehr: Beseitigung akuter Gefahrenstellen (z.B. lose Fassadenteile) ohne Verzögerung, um Personenschäden zu verhindern.
Langfristiger Erhalt der Tragfähigkeit: Planung und Durchführung präventiver Instandhaltungsmaßnahmen zur Sicherstellung der Tragfähigkeit und Dauerhaftigkeit der Konstruktion.
Inspektionsregime
Visuelle Inspektionen: Halbjährliche Begehungen der Fassade durch eigenes Wartungspersonal oder den Betreiber, um augenscheinliche Schäden wie Risse, lose Elemente, Korrosionsanzeichen oder Verformungen zu erkennen.
Technische Inspektionen: Detaillierte Prüfungen durch qualifizierte Fachleute alle drei bis fünf Jahre, einschließlich Überprüfung der Verankerungen, Materialfestigkeit und Dichtheitskontrollen.
Anlassbezogene Kontrollen: Zusätzliche Überprüfungen nach außergewöhnlichen Ereignissen (z.B. Stürmen, Starkregen oder Sanierungsarbeiten) sowie nach Meldungen durch Nutzer oder Sicherheitspersonal.
Instandhaltungsmaßnahmen
Befestigungskontrolle und -reparatur: Anziehen und Austausch loser Schrauben, Dübel oder Verankerungen, um die Festigkeit aller Befestigungspunkte zu gewährleisten.
Schadensbeseitigung an Fassadenelementen: Ersetzen oder Ausbessern beschädigter Platten, Verkleidungselemente, Dichtungen oder Unterkonstruktionsteile, um Funktion und Optik der Fassade wiederherzustellen.
Korrosionsschutz und Witterungsabdichtung: Auftragen neuer Schutzanstriche oder Imprägnierungen, Erneuern von Dichtungen und Abdichtungen, um Materialien langfristig vor Feuchtigkeit und Korrosionsprozessen zu schützen.
Dokumentationsanforderungen
Fassadenbuch/Bauwerksdokumentation: Führen eines detaillierten Fassadenbuchs mit Plänen, Ausführungsunterlagen und Wartungsplänen sowie lückenlosen Protokollen über alle Inspektionen und Befunde.
Mängel- und Risikodokumentation: Erfassung aller festgestellten Schäden und Abweichungen inklusive Kategorisierung nach Schweregraden (z.B. gering, signifikant, kritisch) sowie Bewertung des Gefährdungspotenzials.
Nachweise der Mängelbeseitigung: Dokumentierte Berichte über durchgeführte Instandsetzungs- und Reparaturarbeiten, ergänzt durch Fotodokumentation (Vorher/Nachher) sowie Unterschrift und Bestätigung des ausführenden Fachpersonals.
Rollen und Verantwortlichkeiten
Rolle
Verantwortlichkeiten
Betreiber
Gesetzliche Verantwortung für die Sicherheit der Baukonstruktion und Einhaltung aller Betreiberpflichten.
Facility Manager
Planung, Organisation und Dokumentation der Inspektionen sowie Koordination der Wartungs- und Instandhaltungsmaßnahmen.
Fachunternehmen
Durchführung fachtechnischer Prüfungen, Erstellung von Gutachten zur Fassadensicherheit sowie Ausführung erforderlicher Reparatur- und Instandsetzungsarbeiten.
Behörden
Überwachung der Einhaltung baurechtlicher Vorschriften, Durchführung von Kontrollen und Erlass von Auflagen oder Sanktionen bei Verstößen.
Risiko- und Sicherheitsmanagement
Integration in Risiko-Register: Erfassung von Fassadenrisiken im übergeordneten Risiko-Management-System des Betreibers, um potenzielle Gefahren systematisch zu dokumentieren.
Klassifizierung erkannter Mängel: Bewertung der Gefahr durch festgestellte Schäden und Einteilung in Risikokategorien (z.B. gering, hoch), um Prioritäten für die Behebung festzulegen.
Notfall- und Absperrmaßnahmen: Sofortige Absperrung und Kennzeichnung von Gefahrenbereichen, wenn akute Risiken (z.B. herabfallende Teile) vorliegen, sowie Einleitung von Sofortmaßnahmen (z.B. Reparatur oder Evakuierung betroffener Zonen).
Integration in den Betriebsablauf
Wartungsplanung: Verankerung der Fassadenpflege und -überwachung im jährlichen Wartungsplan und Budget, um Inspektionen und Reparaturen planmäßig sicherzustellen.
Informationspflicht gegenüber Nutzern: Frühzeitige Benachrichtigung von Mietern oder Anlagenbetreibern über geplante Fassadenarbeiten sowie erforderliche Sperrungen oder Zugangsbeschränkungen, um Beeinträchtigungen und Gefahren zu minimieren.
Änderungsmanagement: Prüfung und Freigabe von baulichen Veränderungen an der Fassade (z.B. Nachrüstung, Erweiterung) nach geltenden Sicherheitsanforderungen mit anschließender Neubewertung der Statik und Befestigung.
Überwachung und Leistungskennzahlen
Inspektions-Compliance: Anteil der geplanten Fassadeninspektionen, die termingerecht abgeschlossen wurden.
Mittlere Reparaturdauer: Durchschnittliche Zeitspanne von der Meldung eines Defekts bis zur vollständigen Behebung.
Anzahl schadensbedingter Vorfälle: Dokumentierte Fälle von sicherheitsrelevanten Schäden oder Zwischenfällen an der Fassade, einschließlich entstehender Personen- oder Sachschäden.
Trendanalyse wiederkehrender Mängel: Auswertung der Häufigkeit identischer oder ähnlicher Schadensbilder über mehrere Perioden, um systemische Schwachstellen zu erkennen.
Die Gewährleistung der Verkehrssicherheit von Außenwandbekleidungen ist eine grundlegende Betreiberpflicht gemäß § 3 Satz 1 i.V.m. § 19 Absatz 1 HBauO. Dies erfordert ein konsequentes System aus regelmäßigen Sicht- und Fachinspektionen, zeitnahen Instandhaltungsmaßnahmen sowie lückenloser Dokumentation. Nur so lassen sich Gefahren durch herabfallende Fassadenteile oder andere Mängel zuverlässig verhindern und Haftungsrisiken nach § 823 BGB vermeiden.
Eine klare Zuordnung der Verantwortlichkeiten (Betreiber, Facility Manager, Fachunternehmen, Behörden) sichert zudem die effektive Umsetzung aller Maßnahmen. Die beschriebenen Betreiberpflichten müssen fest in das operative Facility-Management und das übergeordnete Risikomanagement integriert werden. Durch fortlaufende Überwachung und systematisches Berichtswesen wird sichergestellt, dass die Fassade dauerhaft standsicher und gefahrlos bleibt.